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Denkmalszerstörungen mit Tradition
Beispiele alltäglicher Gedenkkultur in Kärnten/Koroška

Vor einem Jahr wurden in Kärnten/Koroška in den Sommermonaten mehrmals antifaschistische Denkmäler zerstört, die sich einerseits den Opfern des Nationalsozialismus und andererseits dem Widerstand gegen das NS-Regime widmen. Am Beispiel des "Denkmals der Namen" sowie der Gedenkstätte am Peršmanhof zeigt sich, dass solche Ereignisse einen alltäglichen Bestandteil der revisionistischen Gedenktradition ausmachen.

Denkmal der Namen in Villach/Beljak
Das in der Villacher Innenstadt aufgestellte "Denkmal der Namen" erinnert an Frauen, Männer und Kinder aus Villach/Beljak und Umgebung, die zwischen 1938 und 1945 aus den verschiedensten Gründen dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer gefallen sind. Auf einzelnen Glastafeln werden die Namen jener ehemaligen StadtbewohnerInnen erwähnt, deren Lebensdaten bis hin zu ihrem Tod durch die unermüdliche Arbeit des "Vereins Erinnern" recherchiert und aufgearbeitet wurden. Es stellt somit nicht nur eine Auseinandersetzung mit den Gräueltaten des NS-Regimes und den konkreten Opfern, die es in Villach/Beljak gegeben hatte dar, sondern auch den Versuch, die verdrängte nationalsozialistische Vergangenheit öffentlich sichtbar zu machen. "Wir entschieden uns damals bei der Errichtung des Denkmals ganz bewusst für Namen statt allgemeiner Gedenkformeln, denn einer der ersten Schritte zur Erniedrigung und Entmenschlichung der Häftlinge bestand im Raub ihrer Namen und in der Vergabe von Nummern, die in den Unterarm eintätowiert wurden[…] Die Rückgabe des Namens erschien uns als wichtiger Schritt zur Wiederherstellung von menschlicher Würde und Identität."(1) Bis heute wurden insgesamt 137 Namen auf Glastafeln auf dem Denkmal dokumentiert und jährlich auch um ein paar weitere ergänzt.

Im Oktober dieses Jahres wird das Denkmal um 115 Namen, bei denen es sich in der Mehrzahl um Opfer der NS-Euthanasie handelt, die in Hartheim bei Linz in den Jahren 1940 und 1941 vergast wurden, erweitert, so dass sich die Anzahl der Namen auf 252 ausweitet. Zu diesem Zweck soll auch der Platz, auf dem sich das Denkmal befindet, umgestaltet werden. Obgleich die Stadt Villach die Kosten für die Umgestaltung trägt, muss der "Verein Erinnern" für die Ausweitung der Namen sowie die immer wieder zerstörten Glastafeln selbst aufkommen.
So wurden beispielsweise am 25. Oktober 2007 nicht nur acht weitere Namen hinzugefügt, sondern, wie auch schon mehrmals in der Geschichte dieses Denkmals, jene Tafeln wieder neu aufgestellt, die von unbekannten TäterInnen in den Sommermonaten zerstört wurden. Bereits seit seiner Eröffnung im September 1999, mit 64 Namen, wurde das Denkmal nämlich mehrmals verwüstet und einzelne Glastafeln mutwillig zerschlagen. So wurde auch im Jahr zuvor nicht nur die Anzahl der Namen ausgeweitet, sondern eine Gedenktafel, die im April 2006 zerstört wurde, wieder hinzugefügt. Aber auch schon davor war das Denkmal bereits mehrmals Ziel ähnliche reaktionärer Taten gewesen, die auf den alltäglichen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit im Kärntner Lande schließen lassen. Dieser Wahnsinn fand im Juli 2007 jedoch einen erneuten Höhepunkt, da allein in diesem Monat vier Mal Zerstörungen zu verzeichnen waren. Der materielle Schaden allein dieser Zerstörung beträgt ungefähr 1200,- Euro. Da sich die Polizei lange geweigert hatte, die politische Motivation dieser Taten anzuerkennen und sie als betrunkenen Vandalismus abtat, blieb die Suche nach den TäterInnen bislang erfolglos. Wenngleich ihr ein solches Verhalten nicht mehr möglich ist, halten sich die Bemühungen diesem Treiben ein Ende zu setzen in Grenzen. Anstelle eines empörten Aufschreis und einer breiten Diskussion der Auswüchse des Umgangs mit den Gräueltaten des NS-Regimes in Kärnten/Koroška folgte auf die Denkmalsverwüstungen vielmehr Schweigen. So wurde das Denkmal im Dezember 2007 ein weiteres Mal verwüstet, wobei die TäterInnen, von denen laut Polizei nach wie vor jede Spur fehlt, insgesamt elf Glastafeln, auf denen jeweils vier Namen eingeätzt sind, zertrümmerten. Der materielle Schaden betrug ungefähr 2000,- Euro. Am 25.1., kurz vor dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, wurden die zerstörten Glastafeln bereits ein weiteres Mal erneuert und den Opfern nationalsozialistischer Gewalt gedacht: "Dieses Denkmal und alle Namen, die auf ihm eingraviert sind, geben dieser Stadt ein Stück Würde und Menschlichkeit zurück – zwei Eigenschaften, die diese Stadt in den Jahren 1938 bis 1945 so gnadenlos vermissen ließ. Wir dürfen es nicht zulassen, dass diese Namen ein zweites Mal ausgelöscht werden!" schrieb Hans Haider, der Obmann des "Vereins Erinnern" in der Presseaussendung(2) anlässlich der letzten Zerstörungen – ein Satz, den andere "Unbekannte" ernst nahmen, als sie ebenfalls im Dezember ein anderes Zeichen setzten und mit dem Spruch "Glas ist zerbrechlich, nicht jedoch unser Gedenken an die Opfer nationalsozialistischer Gewalt – Kein Friede mit FaschistInnen" einige Wände der Villacher Innenstadt verzierten.

Im Juli 2008 machten auch drei Jugendliche in Bad St. Leonhard/St. Lenart in Kärnten/Koroška durch das Sprayen von Hakenkreuzen, SS-Symbolen und ausländerfeindlichen Parolen auf sich aufmerksam. Auch in ihrem Fall geht die Polizei von einem "dummen Streich" aus und so wird sich erst zeigen, ob den drei TäterInnen eine Anzeige wegen des Verdachtes auf Wiederbetätigung nicht erspart bleibt. Kurz darauf wurden zwei Glastafeln des Denkmals ein weiteres Mal zerstört. Dass geschichtsrelativierendes Gedenken in Villach/Beljak ansonsten Tradition hat zeigte sich in den letzten Jahren u.a. auch an der Ehrung des revisionistischen "Kärntner Abwehrkämpferbunds" seitens der Stadt Villach.

Peršmanhof in Eisenkappel/Železna Kapla
Auch die Zerstörung von Denkmälern und Gedenkstätten, die an eine der wichtigsten Widerstandsgruppen gegen das NS-Regime erinnern soll, hat in Kärnten/Koroška Tradition. Der Peršmanhof, seit 1983 als erstes und einziges PartisanInnenmuseum in Österreich bekannt, war kurz vor Ende des Krieges Schauplatz eines bestialischen Massakers der Nazis an einer elfköpfigen Familie gewesen. Weder das Massaker, noch die 1953 verübte Sprengung des den PartisanInnen errichteten Denkmals, welches 1947 am Friedhof in St. Ruprecht bei Völkermarkt/Velikovec aufgestellt worden war, und 1983 vom "Verband der Kärntner PartisanInnen" am Peršmanhof wieder errichtet wurde, wurden bis heute gerichtlich geklärt. "Die Peršman-Geschichte könnte für ganz Kärnten zu einer ‘Bastion der Aufklärung.’ und Selbstbildung werden. An diesem Ort, der mit dem wieder aufgebauten Gehöft, mit Gedenktafeln, mit Museum und Denkmal ein einzigartiges Erinnerungsensemble darstellt, kann man der kärntner NS-Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes begegnen und sie aus mehreren Perspektiven betrachten lernen."(3)

Dass der Vorsitzende des "Verbandes der Kärntner PartisanInnen", Peter Kuchar, am 2. August 2007 feststellen musste, dass unbekannte TäterInnen drei Fenster des Peršmanhofs in Koprivna/Koprein bei Eisenkappel/Železna Kapla eingeschlagen hatten, sorgte für ebenso wenig Aufruhr wie im Falle des "Denkmals der Namen". Wenngleich in das Museum selbst nicht eingedrungen wurde, stellen derartige Ereignisse am Peršmanhof keine Neuheit dar. Seit seinem Bestehen als Museum wird die Gedenkstätte von der Alltagsgesellschaft nicht nur angefeindet, sondern war auch schon mehrmals Opfer ähnlicher Taten gewesen. Auch in diesem Fall sprach die Polizei von "Bubenstreichen" und wollte das Ausmaß dieser Taten und ihre politischen Hintergründe nicht anerkennen. Zu einer Gegentradition und einem Umdenken in der gesellschaftlich verbreiteten Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit scheint es folglich in Kärnten/Koroška auch im Jahre 2008 noch ein langer Weg zu sein.

www.net4you.com/haiderftp, www.persman.at
1) Vgl. Presseaussendung des "Verein Erinnern" anlässlich der Zerstörungen des Denkmals im Juli 2007
2) Vgl. Presseaussendung des "Verein Erinnern" anlässlich der Zerstörungen des Denkmals im Dezember 2007
3) Peter Gstettner: "Gedenkstätte und Gedenkensemble am Peršmanhof" (Vgl. Link)