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Heimat bist du ewig Rauschen...
Zur kontinuierlichen Präsenz von Neonazis bei den Ulrichsbergfeierlichkeiten

Wenn Neonazis öffentlicher als bei Wehrsporttreffen, konspirativen Konzerten und in Wirtshaus-Hinterkammerln zusammenkommen, kann das Vieles aber sicher nichts Gutes bedeuten. Die Intentionen für öffentlichkeitswirksame Auftritte reichen vom Totengedenken an hochrangige Nationalsozialisten, wie bei dem jahrelang zelebrierten Trauermarsch für Rudolf Hess in Wunsiedel (Bayern) bis zum Andocken an rechtskonservative, xenophobe Bürger_innen-Initiativen und deren Demonstrationen, etwa als die Anwesenheit von Mitgliedern des BFJ ("Bund freier Jugend") im Frühling bei der von der Kronen Zeitung unterstützten Demonstration gegen den EU-Reformvertrag in Wien beobachtet wurde.

Dass das Totenbrimborium für deutsche und mit ihnen verbündete Soldaten des 2. Weltkrieges und das Gedenken an die Mitglieder der NS-Volksgemeinschaft seit Jahrzehnten Neonazis zu den Ulrichsbergfeiern anreisen lässt, erscheint nicht weiter verwunderlich. Eine internationale Feier, die die Heldentaten nazistischer Soldaten abfeiert, ist für Neonazis selbstredend hochgradig attraktiv. Die Motive für die Teilnahme am gemeinschaftlichen Opa-auf-die-Schulter-klopf-Treffen sind aber vielschichtiger als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die Ulrichsberggemeinschaft hatte nicht immer ein ungetrübtes Verhältnis zur Jugend im Allgemeinen und zum eigenen Nachwuchs im Besonderen. In den 1970er Jahren tönte es bei den Festreden vom Berg, dass die verweichlichte Jugend, im O-Ton der Zeit: die "Schlurfe", erst einmal durch die Schützengräben gejagt werden müsste. Die Hasstiraden richteten sich aber nicht nur gegen Hippies und non-konforme Jugendliche, auch der nationale Nachwuchs müsste soldatische Tugenden und Kameradschaft erst am eigenen Leib erfahren und das am besten im nächsten Krieg. Erst wenn sie durch das "Stahlbad" des militärischen Kampfes gegangen wären, seien sie würdig in den Kreis der Ulrichsberggemeinschaft aufgenommen zu werden. Der Zugang hat sich im Lauf der Jahre modernisiert, heute erscheint es opportun die nachwachsende Generation quasi dort abzuholen wo sie steht – mithin knietief im heimattümelnden Sumpf. Im Herbst 2007 veröffentlichte der KAB ("Kärntner Abwehrkämpfer Bund") einen Folder unter dem Titel "Jugend braucht Heimat", gefördert mit Mitteln vom BZÖ-Land und unter Verwendung eines salbungsvollen Vorwortes vom Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider. Der Folder setzt sich zur Aufgabe die deutschkärntner Jugend an ihre besondere Aufgabe im ewigen Abwehrkampf zu erinnern. In Auszügen klingt das dann in etwa so: "Heimat bedeutet Gemeinschaft, die in guten und schlechten Zeiten zueinander steht – nicht Klassenkampf, nicht Generationenkampf, nicht Geschlechterkampf. Gerade die Jugend sucht die rechten Wege, sucht Wahrheit und Sinngebung. Immer mehr erkennt die junge Generation die Bedeutung eines Wertegutes, das Halt bietet in einer gerade für die Jugend schwierigen Zeit. Die zerstörenden Kräfte von Außen und von Innen, welche unsere Werte, und da besonders Volk und Heimat, zu vernichten suchen, haben Lügengebäude und Scheinwelten aufgebaut.” Welch zerstörerische Kräfte genau am Werk sein sollen, lassen die Autor_innen offen. Dass die Bedrohung immer auch von der slowenischsprachigen Bevölkerung Kärntens, ihren Interessenverbänden und dem slowenischen Staat ausgeht, muss nicht explizit benannte werden. Das ist dem/der geneigten Leser_in geläufig.

Nazis, die in die Ferne schweifen
Das Heimat-Thema wirkt auch auf anreisende Neonazis aus Österreich und dem Ausland überaus anziehend. Das Ulrichsbergtreffen findet schließlich in einer so genannten "Grenzlandregion” statt. Demnach ist die deutsche Sprache und Kultur, der deutsche (Mutter-) Boden, also kurz das "Deutschtum” überhaupt, in Kärnten/Koroška durch eine permanent drohende "Slawisierung” bedroht. Diese stetig kultivierten Überfremdungsängste haben einen deutschnationalen Rassismus konserviert, der in Europa seinesgleichen sucht. Während selbst in NPD Hochburgen Deutschlands wie etwa Ost-Sachsen, der Trend dahin geht sprachliche Minderheiten, in diesem Fall die sorbische Minderheit, mit plakativen Maßnahmen wie zweisprachigen Straßenschildern zu-mindest nach Außen hin einzubinden, ist der nicht enden wollende Kampf um jede weitere zweisprachige Ortstafel in Kärnten ein europaweiter Einzelfall. Für reisefreudige Neonazis aus dem europäischen Ausland ist gerade die Verbindung von kärntnerischem Heimatgetue und die Aussicht, noch lebende Nazi-Prominenz zu treffen, reizvoll. Filmmaterial vom SS-Veteranentreffen im Krumpendorf zeigt beispielsweise Ritterkreuzträger beim signieren vorgefertigter Autogrammkarten. Bis ins Jahr 2000 ist die Anwesenheit von Gudrun Burwitz beim "Krumpendorftreffen" belegt. Burwitz ist nicht nur als Tochter Heinrich Himmlers ein gern gesehener Gast im Kreis rechtsextremer Geselligkeit, als exponiertes Mitglied der "Stillen Hilfe"(1) gilt sie unter SS-Veteranen als lebende Ikone. Eine weitere "Größe", deren Hand zu schütteln unter Neonazis etwas gilt, ist der in Dänemark wegen Mordes verurteilte SS-Mann Sören Kam. In Kärnten kann auch der ehemalige Ustasa-Kommandant Milivoj Asner angetroffen werden, der trotz kroatischer und serbischer Auslieferungsanträge nach wie vor unbehelligt in Klagenfurt/Celovec lebt.

Seit den 1990er Jahren wird die Anwesenheit von Neonazis am Ulrichsberg dokumentiert. Aber auch in den Jahren zuvor ist eine Anwesenheit von Kadern und Unterstützer_innen der VAPO ("Volkstreue Außerparlamentarische Opposition") bzw. der "Volkstreuen Jugendoffensive" stark anzunehmen. Prominenz wie der wegen Verstoß gegen das Verbotsgesetz verurteilte Andreas Thierry, mittlerweile im NPD Parteivorstand von Baden-Württemberg, war schon Anfang der 1990er in Begleitung des Naziterroristen Peter Naumann am Berg. Naumann hatte 1978 zwei Fernsehsendemasten in der BRD gesprengt um die Ausstrahlung der Serie "Holocaust” zu erschweren. Gemeinsam mit zwei Angehörigen der "Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit" plante Naumann 1982 die Befreiung von Rudolf Hess aus dem Kriegsverbrechergefängnis in Spandau. Nachdem sich die Neonazis untereinander zerstritten hatten kam es aber nicht zur Ausführung der Pläne und Hess musste weiter einsitzen. Im Jahr 1997 ist die Anwesenheit von 70 internationalen Neonazis – 30 davon aus Deutschland – in Begleitung des ehemaligen Anführers der KSG-Wien ("Kameradschaft Germania"), Robert Faller, im Bundesverfassungsschutzbericht der BRD dokumentiert. Eine Teilnahme bei den Feierlichkeiten am Berg wurde durch Staatsschutzbeamt_innen verhindert. Der Wind hatte sich gedreht. Nachdem der Ulrichsberggemeinschaft anschließend an die Rede von Jörg Haider beim Krumpendorftreffen 1995, in dem er die Anständigkeit der SS würdigte, zu viel internationale Öffentlichkeit zu Teil wurde, war eine allzu offensichtliche Beteiligung von militant auftretenden Jungnazis nicht mehr erwünscht. Der damalige FP-Politiker Hans Jörg Schimanek sen., der 1998 selbst am Ulrichsberg war, ließ in einer APA-Aussendung verlauten, dass die betreffenden Beamten, die wohl der '68er Generation zuzuordnen wären, zur Ordnung gerufen werden müssten. In den folgenden Jahren wurden wiederholt Neonazis von der Staatspolizei perlustriert. Abzeichen, die unter das Verbotsgesetz fallen, werden seit Mitte der 1990er nicht mehr auffällig während der öffentlichen Feierlichkeiten getragen.

Inzwischen ist es der neonazistische Nachwuchs aus dem europäischen Ausland, vor allem aus Deutschland, der am Berg laut NPD Postille "Deutsche Stimme" "Hardcore" zu finden hofft. 2006 erschien in der "Deutschen Stimme" ein Erlebnisbericht. Der Bremer NPD-Funktionär Henrik Ostendorf, maßgeblicher Drahtzieher im Netzwerk zwischen Freien Kameradschaften, NPD und Nazi-Hooligans, fand empathische Worte für das Treffen "europäischer Patrioten”: "Es waren viele Vertreter der Erlebnisgeneration und viele ihrer Enkel zugegen. (...) Die interessanten, ehrlichen Gespräche, die wir jungen Aktivisten mit den alten jung gebliebenen Soldaten, davon viele ehemalige Europäische Freiwillige [Code für SS-Männer, Anm.], führen konnten, der Austausch von unverfälschten Informationen machten dieses Wochenende zu einem Erlebniswochenende der besonderen Art." Am Ende des Textes kündigte Ostendorf an auch 2007 wieder an der Ulrichsbergfeier teilnehmen zu wollen. Schon bei den ersten antifaschistischen Protesten des "AK gegen den Kärntner Konsens" 2005 wurden Antifaschist_innen am Infostand von Neonazis aus Deutschland und aus Belgien angegriffen. Im Herbst 2007 wurde ein Reisebericht von "Volkstreuen Kräften aus Westsachsen” ins Netz gestellt, der die "Völkerverständigung” zwischen Veteranen und jungen "Kameraden" aus Belgien, Skandinavien, Frankreich, Italien und den USA am Ulrichsberg abfeiert. Und auch an diesen Text schließt sich die Drohung an, auch 2008 dem Ulrichsberg-Ruf folgen zu wollen. Besonders herzlich dürfte die Wiedersehensfreude zwischen den jungen "Volkstreuen” und angereisten Neonazis aus Belgien ausgefallen sein. Letztes Jahr machte der "Voorpost", eine Vorfeldorganisation des rechtsextremen "Vlaams Belang" aus Belgien auf einer Tour nach Wunsiedel und Braunau am Inn am Ulrichsberg halt. "Voorpost Flanders” hatte sich 1976 von "Were Di”, einer Organisation von Nazi-Kollaborateur(_innen), abgespalten. "Voorpost” versteht sich als Jugendorganisation. Unter der Leitung von Luc Vermeulen, ebenfalls Mitglied des "Flaams Belang”, versucht die Neonazi Gruppe vor allem über eine Straßenkampf Orientierung attraktiv auf (militante) Neonazis zu wirken. Seit den Gründungsjahren fordert "Voorpost" den allgemeinen Straferlass für verurteielte SS-Kollaborateure, an den Soldatenfriedhöfen von SSlern werden Totenwachen abgehalten und in Totenreden die Tradition der SS glorifiziert. Daran schließt sich der enge Kontakt zu Holocaust Leugnern wie Siegfried Verbeke(2) an.

Eine weitere rechtsextreme Reisegruppe, die gerne auf den Spuren des Nationalsozialismus wandelt und seit Jahren am Ulrichsberg zugegen ist, sind die Militarist_innen der US-Organisation „Sharkhunters”. Dieser bizarre Verein tourt jährlich durch Europa um architektonische Überbleibsel des Nationalsozialismus zu bestaunen. Während in früheren Jahren die Destinationen der Obersalzberg und das Gelände des Reichsparteitages in Nürnberg waren, nahmen die NS-begeisterten Waffennarren und -närinnen im letzten Jahr auch am geselligen Rahmenprogramm der "Ulrichsberggemeinschaft” teil. Auf ihrer Homepage veröffentlichten sie Fotos von Plaudereien beim Eisessen mit SS-Veteranen. Das Ulrichsbergtreffen, und speziell der Krumpendorfabend, gilt ihnen als ein Ort, an dem es möglich ist, in direkten Kontakt mit SSlern zu treten – Bekanntschaften, die ihnen besonders am Herzen liegen.

Heimat is lei ans
Hinter der internationalen Präsenz von Neonazis braucht sich das Land Kärnten aber nicht zu verstecken. Neben der notorischen Anwesenheit von Burschenschaftern ist es vor allem der "Ring freiheitlicher Jugend" (RFJ), der sich als Vertretung des nachwachsenden rechtsextremen Milieus am Berg hervortut. Als im letzten Jahr das Mahnmal am Ulrichsberg durch ein paar Filzstift-Sprüche verziert wurde, schrieb der RFJ-Vorsitzende Christoph Töfferl flammende Pamphlete gegen diesen Ausdruck des Sittenverfalls und der Verrohung. Benjamin Kropfitsch, Schriftführer des RFJ, ist gleichzeitig Landesobmann und Finanzreferent der "Nationalen Volkspartei" (NVP) in Kärnten. Eine Personalunion, die beim RFJ für Irritationen gesorgt hat. Der von Töfferl angekündigte Rausschmiss dürfte laut Homepage des RFJ aber nicht erfolgt sein. Bei der gängigen Qualität des Internet-Auftritts kann allerdings auch nicht ausgeschlossen werden, dass es bis jetzt einfach noch niemand geschafft hat, die Seite zu aktualisieren. Ob Kropfitsch aber bei der NVP die Sonne lachen wird ist überaus fraglich. Seinem eigenen Motto: "Hauptsache es ist gut” nicht ganz getreu, musste im vergangenem Herbst der "Kärnten Stammtisch” der NVP dank des "unverantwortlichen Landeskoordinators Kropfitsch” abgesagt werden. Ein weiterer Habschi aus der RFJ-Clique ist der geschäftsführende Obmann Thomas Sitter, Mitglied der Burschenschaft "penaler Corps Arminia zu Klagenfurt", die stets am Berg anzutreffen ist. Weitere schlagende Burschenschaften, die sich unter dem Heimkehrerkreuz tummeln, sind die "Cimbria" aus Wien und die "Landsmannschaft Kärnten". Eine der zentralen Aufgaben der Herren im Wichs ist das Stellen von Ehrenspalieren an der zentralen Kranzniederlagestelle. Außerdem gibt es diverse Kontakte zu Mitgliedern der Ulrichsberggemeinschaft, die sich gleichzeitig als Alte Herren der einschlägigen Verbindungen hervortun. Letztes Jahr sprach erneut Peter Mussi, Repräsentant der chargierten Abordnungen und Studentenverbindungen und Funktionär der Ulrichsberggemeinschaft. Bereits 2005 hatte der Möchtegern-Barde bei der Feier sein Hirngespinst über das "Heimkehrerkreuz" in ungelenke Verse gebracht: "Wem Heimkehr aus dem Krieg beschieden, der lässt als Dankeschön es walten und jenen, die im Krieg gefallen, verscharrt in irgendwelchen Senken, ist dieses Kreuz heute vor allem erbaut zum ewigen Gedenken. Es preise Gott, sei ihm zu Ehren, was wir vollbracht, vollbrachte er, es soll den Heimatsinn uns nähren, damit mit ihm, ist Mensch nie leer."

Stelldichein von Neonazis
Auf dem Ulrichsbergtreffen tummeln sich internationale, österreichische und regionale Neonazis auf der Erlebnissuche im authentischen Kontakt zu Veteran_innen des Nationalsozialismus. Am Berg wird, wie es in der "Deutschen Stimme" nachzulesen ist, eben "Hardcore” geboten. Hier kann der Nachwuchs den "Heldengeschichten" von SSlern, Wehrmachtsangehörigen und Ritterkreuzträgern lauschen. Über die verkitschte Landser-Romantik hinaus ist der Ulrichsberg aber auch ein Ort an dem sich Neonazis treffen und vernetzen können.

Fußnoten
1) Die Stille Hilfe ist eine Unterstützungsorganisation für inhaftierte Alt-Nazis, etwa dem "Schlächter von Lyon” Klaus Barbier oder dem ehemaligen KZ-Aufseher in Theresienstadt, Anton Malloth. Sie steht in direktem Kontakt mit der HNG (Hilfsgemeinschaft für nationale Gefangene)
2) zu Verbeke siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Siegfried_Verbeke